Neues Papier zur SPD Strategie – Aufstieg und Gerechtigkeit

Nachtrag: Das Strategiepapier ist mittlerweile bei SPD.de Online verfügbar: –> Aufstieg und Gerechtigkeit.pdf < —
Deshalb am Ende Teil II  😉

Am Donnerstag stellte die SPD ein neues Papier zur eigenen politischen Position vor. Der Titel lautet „Aufstieg und Gerechtigkeit“ und umfasst insgesamt 11 Seiten. Es soll nach Spiegelangaben 2009 mit eine Grundlage für das kommende Wahlprogramm sein.
Leider konnte ich bis jetzt den Text noch nicht selbst lesen und muss mich somit auf externe Quellen beziehen, bzw. auf die Sonderausgabe des INTERN zum Zukunftskonvent. An diesem Papier ist an sich nichts verwerfliches, denn alle Parteien müssen sehen, wohin sie sich politisch bewegen und positionieren wollen. Erstaunlich ist nur, dass die SPD sich nicht nach Links bewegt sondern mehr auf die sehr umkämpfte Mitte zu.
Schlichten Gemütern wie mir kommt es so vor, als würde die SPD die Flucht in aufgelöster Form vor der Linken wagen und stürzt sich dabei direkt auf die FDP, welche nicht wirklich weiß wie ihr geschieht.
Laut Spiegel.de sind die Hauptziele des Papiers folgende:

  • den Ausbau der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands
  • die Senkung der Sozialabgaben bei unteren und mittleren Einkommen
  • die Rückkehr zur Vollbeschäftigung
  • die Stärkung Deutschlands als Friedensmacht
  • die Fortsetzung der ökologische Industriepolitik, die die SPD 1998 zusammen mit den Grünen aufbaute
  • den Ausbau von Mindestlöhnen
  • die Schaffung flexibler Übergänge in den Ruhestand, wobei die Rente mit 67 beibehalten werden soll

Der aufmerksame Bürger ist nun dazu aufgerufen seine Meinung und Gedanken zu äußern, denn die SPD hat am 31.05.2008 zu einem Zukunftskonvent eingeladen. Auf dieser Veranstaltung soll eben jenes Strategiepapier zur Diskussion stehen und angeblich auch mal wieder eine Stellungnahme in Bezug auf die Linke abgegeben werden.

Jetzt halte ich mich ab und an für einen mündigen Bürger und denke mir, die SPD ist doch seit 1998 ununterbrochen an der Regierung und zumindest wirkt es etwas komisch, wenn sie nach 10 Jahren Regierungsarbeit einen Zukunftskonvent abhalten, wie sie den Karren aus dem Dreck ziehen wollen. Zieht man nun noch die Hauptziele des Papiers hinzu, so kommen einem sehr deutliche Erinnerungen an einen scheidenden Bundeskanzler in einer Berliner Elefantenrunde. Seien wir doch mal ehrlich, wenn sie so bei einer Polizeikontrolle auftreten, dann wird der Wischtest auch 3x wiederholt um ganz sicher zu gehen, das er wirklich nicht positiv ist.
Schauen wir uns die einzelnen Punkte doch einmal genauer an:

den Ausbau der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands:

Wow, ich dachte immer das wäre eine Aufgabe der Wirtschaft und die Politik setzt wenn überhaupt dann nur Rahmenbedingungen. Ach ja, diese werden ja auch immer weniger hier im Land gesetzt sondern viel mehr in Brüssel.

die Senkung der Sozialabgaben bei unteren und mittleren Einkommen

Na auf die Finanzierungsvorschläge sind aber alle gespannt und ja der Staat hat schon immer gerne Steuern gesenkt und die Sozialabgaben zurückgefahren. Natürlich ist dies eine sehr einleuchtende Theorie bei den sicheren Renten und bei dem allgemeinen Lobgesang auf Hartz IV.

die Rückkehr zur Vollbeschäftigung

Also das ist ja mal eine wirklich tolle Sache. Vollbeschäftigung, welch prachtvolles und so oft missbrauchtes Wort und natürlich stürzt sich die SPD direkt darauf als könnte sie daran auch nur die geringste Kleinigkeit verändern. Kann sie natürlich nicht, aber Brot und Spiele müssen nun einmal verteilt werden und da will die SPD sicherlich in nichts nachstehen. VOLLBESCHÄFTIGUNG und dieses Ziel verkünden sie am gleichen Tag wie diese Meldung: Konjunktur: Zahl der Arbeitslosen sinkt weniger als erwartet Praktisch zeitgleich veröffentlicht die SPD folgende Meldung auf ihrer Internetseite: Vollbeschäftigung ist erreichbar
Seien wir ehrlich, das Zeug hätten wir doch alle gern. Wem sollen wir denn nun glauben, den Experten oder Olaf Scholz der das Wort Vollbeschäftigung in den Mund nimmt? Bei solchen offensichtlichen Diskrepanzen kann man nur froh sein, dass es keine Preisabsprachen mehr fürs Aspirin gibt, denn mit irgendwas muss man die Kopfschmerzen ja bekämpfen. Vollbeschäftigung ist natürlich ein absoluter Schwachsinn und würde man als Schlagzeile eher bei einer Boulevardzeitung erwarten.

die Stärkung Deutschlands als Friedensmacht

Also ich weiß, dass wir vor 1998 in keinem Krieg verwickelt waren und ich weiß, dass wir unter Rot-Grün Serbien bombadierten und heute unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen. Verteidigung ist immer wichtig und immer gut. Am besten ist Verteidigung präventiv und auf externem Territorium. Deutschland haftet nicht für Natoangriffe, Verteidigungsrede von Gärtner-Caulibaly und Gegeninformationsbüro.
Also Friedensmacht, na ja, es gibt da so einen Spruch der es ziemlich genau trifft:

Fighting for peace is like fucking for virginity

Nur gut, dass die SPD den eingeschlagenen Kurs beibehalten will. Ich bin nun bei Gott kein Linker und auch sonst finde ich dort sehr viel Suspektes, aber die sagen als einzige Partei, keine Auslandseinsätze und das will doch schon was heißen…

die Fortsetzung der ökologische Industriepolitik, die die SPD 1998 zusammen mit den Grünen aufbaute

… Wann war noch gleich der Atomausstieg? Manchmal machen sie es einem auch zu einfach…

den Ausbau von Mindestlöhnen

So wie bei der Pin-Ag gesehen?

die Schaffung flexibler Übergänge in den Ruhestand, wobei die Rente mit 67 beibehalten werden soll

Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Flexible Übergänge in den Ruhestand und die Rente mit 67 soll beibehalten werden. Wenn jemand diesen Satz mit Inhalt füllen könnte wäre ich sehr dankbar. Zunächst einmal die Rente mit 67 soll beibehalten werden und keinesfalls, dass sie es muss oder wird. Sie soll nur beibehalten werden und wenn nicht, dann eben nicht, aber zum Glück gibt es ja die flexiblen Übergänge. Solche Übergänge können auch durchaus so aussehen, dass wenn man schon mit 66 in Rente geht durchaus noch 20 % Gesamtanspruch hat und natürlich muss der Rentner hier extrem flexibel sein.

Im Großen und Ganzen handelt es sich also wieder um eine gehörige Portion Lug und Schein der SPD. Da wird ein Zukunftskonvent aufgrund eines Strategiepapiers ausgerufen, nur um sich über ein mögliches Parteiprogamm der nächsten Jahre zu unterhalten.
Wer weiß, vielleicht gibt es auch wieder ein paar Beiträge zur Politikverdrossenheit im Land.

10 Jahre Regierung und endlich, endlich fängt die SPD an nachzudenken wie man etwas verbessern könnte.

Ich hätte da so eine völlig abwegige Idee: Eine Portion Ehrlichkeit und Verantwortung gegenüber dem Souverän…

Links und anderes:
Hier die Einladung zum Zukunftskonvent: –>> LINK <<–

Zukunftsevenseite der SPD

Sonderausgabe des Intern zum Konvent – PDF

Spiegel.de – Artikel

pr-inside.com

donaukurier

Teil II: Nach Lesen des Strategiepapiers:

Nachdem die SPD nun im ersten Teil so gebeutelt wurde, muss man auch teilweise ein Lob aussprechen. So sieht das Papier zumindest ein, dass viele Leute auf der Strecke bleiben und sich ein Aufschwung eben nicht auf die gesamte Gesellschaft auswirkt unter anderem mit der Begründung, dass es zu wenig Jobs im ersten Arbeitsmarkt gibt.
Auch die aufgegriffene Idee eines Deutschland-Fonds ist beachtenswert und wenn sie dafür sorgt, dass ein geringer Teil Kapital gerechter verteilt wird, kann es nur gut sein.

Diese gut Erkenntnis hilft der SPD aber nicht über einen enormes Wahrnehmungsproblem hinweg:
Seit 1998 haben wir den Eingangssteuersatz
von 25,9 Prozent auf 15 Prozent und den Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent gesenkt
– eine Entlastung von fast 60 Milliarden Euro, von der ein Großteil den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern zugute kam. Eine Familie mit zwei Kindern zahlt heute bis zu einem Bruttoeinkommen
von 37.610 Euro im Jahr faktisch keine Steuern mehr.
“ Zitat aus Aufstieg und Gerechtigkeit
Da wäre als Gegenargument die Pendlerpauschale und die um 3% erhöhte Mehrwertsteuer ins Feld zu führen, die überproportional eben jene Familien mit 2 Kindern betrifft. Erinnern wir uns ganz weit zurück, als die SPD die Minijobs einschränkte und welch ein Aufschrei durch die Bevölkerung ging.
Genau hier liegt das Problem, denn die Leute können sich doch erinnern und sie merken es eben wenn man sein Fähnchen in den Wind hängt und wenn man nur Teile darlegt und nicht die Gesamtrechnung am Ende betrachtet.

Wer weiß, vielleicht liest dies hier ja ein Genosse und bringt es auf dem Zukunftskonvent zur Sprache. Man soll die Hoffnung nie aufgeben.
Trotz aller Kritik wünscht man allen SPD-Anhängern einen intensives Gruppenerlebnis, mögen die Einsicht über sie kommen und sollte es wirklich in guter Arbeit münden, dann wird dies auch mit guten Wählerstimmen belohnt werden. Wer weiß, vielleicht schaffen sie es dann bald wirklich zurück zu alter Stärke.


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