Der letzte Tag eines Verurteilten

Victor Hugo ist wohl der bekannteste Schriftsteller Frankreichs. Im frühen 19. Jahrhundert aktiv, schrieb er solche Bücher wie „Der Glöckner von Notre Dame“ oder seinen Epos „Die Elenden“, die ihn weltbekannt machten. Weniger bekannt ist unser heutiges Buch, Der letzte Tag eines Verurteilten.

Ein Plädoyer gegen die Todesstrafe

Wir treffen auf einen Mann. Wir kennen nicht seinen Namen, nicht sein Alter, nicht sein Verbrechen. Wir wissen nur, er soll sterben, weil er ein Verbrechen begangen hat. Und wir werden gezwungen, seinen letzten Tag mitzuerleben. Er sieht Sträflinge auf dem Weg zur Galeere, er sieht Zeichen und Sprüche an seiner Zellenwand, der Priester kommt zu ihm, er erinnert sich an früher.

Er wird ins Rathaus verlegt, trifft auf einen Gleichgesinnten, der die Wartezeit, die er hinter sich hat, noch vor sich hat. Er trifft seine Tochter, die ihn nicht mehr erkennt. Mit den Worten VIER UHR endet das Buch.

Kritik

Der letzte Tag eines Verurteilten ist ein sehr bewegendes Werk. Mit nur knapp 100 Seiten ist es ziemlich kurz, aber gerade deshalb so intensiv. Diese Intensität wird dadurch erreicht, dass Hugo es versteht, seinen Protagonisten anonym zu lassen – es ist völlig egal, welches Verbrechen er begangen hat, soll das signalisieren – es geht nur darum, dass die Todesstrafe niemals ein rechtes Mittel ist. Und in dieser Anonymität sehen wir plötzlich seine innersten Gefühlswelten, wir blicken durch seine Augen und sehen die Ungerechtigkeit, die ihm widerfährt und erkennen, dass es niemals positiv sein kann, was auch immer dieser Mensch getan hat, es ist stets ein Verbrechen, ihn dafür zu ermorden.

Das ganze Buch ist sehr bildhaft gestaltet, man sieht stets im Geschriebenen das Geschehene vor sich und über weite Teile liest man einfach nur mit offenem Munde dasitzend, was der Verurteilte wahrnimmt. Dann kommt das abrupte Ende und man ist erst mal geschockt, weiß nicht, wie man mit diesem Ende umzugehen hat und hat irgendwie das Gefühl, sich darüber auszutauschen.

Zumindest ging es mir so, denn mich hat das Buch ziemlich bewegt und ich hatte ein sehr intensives Leseerlebnis. Ich würde eigentlich soweit gehen wollen und dieses Buch zu einer Pflichtlektüre in den Schulen machen wollen, gerade wenn es um eine Sensibilisierung zu diesem Thema geht, die ich für unbedingt notwendig erachte.

Aus diesen Zeilen lässt sich schon herauslesen, dass ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung abgebe, ich würde das Buch vielleicht erst ab 14 oder 15 Jahren lesen, aber dann sollte es auch gelesen werden. Ich vergebe eigentlich überflüssigerweise volle 10/10 Sternen und kann die Lektüre des Buches nur allen Lesern ans Herz legen.

Gastbeitrag

Der Beitrag wurde von unserem Gastblogger Florian Ostertag geschrieben und uns samt Foto exklusiv fürs Literaturasyl zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns recht herzlich und hoffen auch weiterhin viele Beiträge von ihm zu lesen.


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