Hier sieht man den Titel von Woyzeck

Woyzeck

Wie kann man denn ein Büchlein mit kaum 30 Seiten rezensieren? Das hat man doch in 10 Minuten durchgelesen. Und was sucht ein solcher alter Schinken eigentlich hier? All diese Fragen wollen wir heute versuchen zu beantworten, denn es geht um ein Dramenfragment von Georg Büchner, einen deutschen Schriftsteller und Übersetzer des frühen 19. Jahrhunderts, der in der Zeit des Vormärz aktiv war und zu den wichtigsten Schriftstellern dieser Zeit zählt.

Basierend auf einem historischen Mordfall und dem dazugehörigen Clarus-Gutachten erzählt das Drama die Geschichte des Woyzeck, der ein armer Unterschichtler ist und neben seiner Tätigkeit als Soldat etwas Geld verdient, indem er sich für Experimente eines Doktors zur Verfügung stellt – er ist derzeit auf einer Erbsendiät.

Anspruchsvolles Dramenfragment, dem es nicht an Aktualität mangelt

Seine Frau geht mit einem Tamburmajor fremd, als dieser das herausbekommt, hört er in seiner Schizophrenie seltsame Stimmen, die ihn auffordern, seine Frau zu töten. Er besorgt sich ein Messer und vollstreckt den Mord.

Schnell erzählt ist dieses Drama, das ich hier mal auf zwei Ebenen betrachten möchte. Bevor wir uns den Inhalt ansehen, ist hier die Form spannend. Denn, im Unterschied zum klassischen Drama, wie Schiller es schrieb, haben wir hier keine Einteilung in Akte vorliegen, die Szenen sind scheinbar willkürlich zusammengewürfelt und würden in jeder anderen Reihenfolge auch funktionieren. Das liegt einerseits natürlich daran, dass Büchner sein Drama nie fertigstellen konnte, andererseits ist dies jedoch auch typisch für die offene Dramenform, für die Woyzeck ein Musterbeispiel darstellt.

Befasst man sich inhaltlich mit dem Stück, kommt man recht schnell auf die Schuldfrage und damit auch auf die Fremdeinwirkung auf Menschen zu sprechen. Und hier ist auch der aktuelle Bezug des Stückes. Denn die Frage, ob Menschen nur Opfer ihrer Umstände sind und wann vor Gericht mildernde Umstände zutage treten, ist bis heute vor Gericht immer wieder ein Streitfall. Woyzeck wäre heutzutage sicherlich als geistig nicht zurechnungsfähig diagnostiziert worden. Auch zeigt dieses Buch in der Doktorfigur die Absurdität der damaligen Wissenschaft auf, bei der die wildesten Experimente mit Menschen durchgeführt wurden.

Fazit

Sicherlich ist Woyzeck kein Buch für jedermann. Es ist relativ anspruchsvoll, auch wenn die Sprache durchaus verständlich ist, kann es möglicherweise schwerfallen, den Handlungsablauf zu konstruieren und nachzuvollziehen, was passiert. Wenn ihr euch das jedoch zutraut, bekommt ihr mit dem Woyzeck ein sehr spannendes Drama, das von den üblichen Dramen a la Schiller abweicht und deshalb eine interessante Abwechslung sein kann. Genau darum bekommt Woyzeck von mir auch 9/10 Punkten, für ein starkes Drama, das mal etwas ganz Anderes ist.

Gastbeitrag

Der Beitrag wurde von unserem Gastblogger Florian Ostertag geschrieben und uns samt Foto exklusiv fürs Literaturasyl zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns recht herzlich und hoffen auch weiterhin viele Beiträge von ihm zu lesen.


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