der Titel des Buchs Ensel und Krete

Ensel und Krete – Walter Moers

Walter Moers gehört zu den wenigen Autoren, die gleichzeitig leicht verständliche Fantasy schreiben und einen hohen literarischen Anspruch haben. In Ensel und Krete, einer Abstraktion des klassischen Märchens, stellt er dies erneut unter Beweis.

Wir befinden uns in Walter Moers großer Welt, Zamonien. In dessen Wäldern sollte man nicht vom Weg abkommen, was die beiden Geschwister Ensel und Krete natürlich trotzdem machen. Um sich nicht zu verlaufen, streuen sie Himbeeren; netterweise sammelt ein Stollentroll sie ihnen auf, sie hätten sie ja verloren. – Also durchleben sie im Wald viele Abenteuer.

Ein scheinbares Happy End – die Rettung durch Buntbären – stellt sich bald schon als Illusion heraus und ab hier ist es schwierig zu sagen, was echt ist und was nicht. Irgendwie müssen die Kinder eine Pflanze umtopfen, begegnen der Waldspinnenhexe und kämpfen mit Magensaft. Sie treffen auf einen Buntbären (ob real oder nicht – wer weiß das schon?) und gelangen nach Hause.

Ensel und Krete ist etwas verwirrend. Zum einen durch diese Vermischung von Illusion und Wahrheit, zum anderen durch Metafiktionalität, also dem Autor, der sich ins Geschehen einmischt. Meine Lieblingsstelle ist die, an der einfach zwei Seiten lang nur „Brummli“ geschrieben steht – damit möchte der fiktive Autor, Hildegunst von Mythenmetz“ veranschaulichen, wie ein autoritäres System funktioniert – das hat aber gar nichts mit dem Buch zu tun.

Am Ende nimmt die Anzahl dieser Abschweifungen zu, Mythenmetz möchte kein Happy End schreiben, denn er glaubt „Der Raum begann, sich mit Magensaft zu füllen“ sei ein perfektes Ende. So perfekt, dass er es gleich zehnmal schreibt.

Ich fand das alles ziemlich genial. Es ist einfach extrem ungewohnt, dass der Roman gleichzeitig auf drei Ebenen unterwegs ist. Einmal auf der Ebene der Erzählung, dann auf der Ebene der Illusionen innerhalb der Erzählung und schließlich noch auf der Ebene des fiktiven Autors, der auch auftritt. Diese Kombination der Ebenen ist sehr gelungen – gerade auch weil Moers schafft, den Roman noch immer allgemeinverständlich zu halten. Der Roman ist nicht abgedreht und arbeitet mit ganz moderner, zeitgemäßer Sprache, kunstvoll eingesetzt, aber wirklich nicht schwer zu verstehen. Trotzdem arbeitet er mit anspruchsvollen literarischen Mitteln und zeigt, dass deren Einsatz nicht an Unverständlichkeit gekoppelt ist.

Dass dazu noch die Geschichte sehr spannend ist, macht diesen Romanwirklich zu einer Leseempfehlung, die ich gleichermaßen für Alt und Jung ausspreche – vielleicht nicht für Erstleser, aber am dem Teenageralter steigt man problemlos durch das Thema durch. Deshalb bekommt Ensel und Krete als ein Roman, der viele spannende Sachen (sowohl inhaltlich als auch handwerklich) in wenigen Seiten verarbeitet, 8/10 Punkten.

Gastbeitrag

Der Beitrag wurde von unserem Gastblogger Florian Ostertag geschrieben und uns samt Foto exklusiv fürs Literaturasyl zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns recht herzlich und hoffen auch weiterhin viele Beiträge von ihm zu lesen.


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