Titelbild des Buchs Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf – Buchkritik

Milena Agus gehört zu den Autorinnen, von denen man nicht zwingend was gehört hat. Ihre Bücher „Die Frau im Mond“ und „Die Flügel meines Vaters“ sind zwar halbwegs bekannt, aber sicherlich nicht von Weltrang. Die Welt auf dem Kopf ist ihr neustes Werk und 2013 erschienen – und genau das nehmen wir uns heute vor.

Postmodern und sehr gelungen

Es ist etwas schwierig, dieses Buch angemessen zusammenzufassen. Irgendwie spielt sich alles in einem dreistöckigen Haus ab, oben wohnt ein reicher Geiger, in der Mitte die Ich-Erzählerin, die Studentin und unten eine eher niedrig gestellte Frau. Diese bietet sich als Haushaltshilfe für den Herrn von Oben an. Daraufhin beginnt eine seltsame Beziehung, die viel mit Reizwäsche und Abbildungen aus Sexheften zu tun hat.

Die Familie des Geigers kommt nach Hause und als der Geiger ein Konzert gibt, ergibt sich ein Beziehungschaos. Jeder scheint sich in jeden verliebt zu haben und Eifersucht beherrscht die Szenerie. Am Ende kommt dann alles anders: Der Geiger trennt sich von seiner Frau und zieht nach unten zu seiner Liebhaberin.

Ich hatte an diesem Buch viel zu kauen. Im Prinzip ist es nicht schwer zu lesen, es ist recht dünn, die Sprache ist gut verständlich und man hat es in wenigen Stunden durchgelesen. Aber das Verarbeiten des Gelesenen wird noch Tage in Anspruch nehmen. Das liegt hauptsächlich an zwei Punkten.

Erstens, die Erzählstruktur. Halbwegs chronologisch erzählt die Ich-Erzählerin die örtlich auf das eine Haus beschränkte Geschichte. Doch zwischendurch werden immer wieder Schnipsel aus der Vergangenheit der Figuren eingestreut, sodass deren Intentionen und Motive erst sehr spät klar werden, was das Verständnis der Charaktere gleichzeitig erschwert, aber auch irgendwie faszinierend macht.

Zweitens, die Metafiktionalität. Am Ende des Buches offenbart die Ich-Erzählerin eine metafiktionale Ebene, also sie thematisiert den Schreibprozess und stellt dem Leser somit die Frage nach der Wahrheit. Ist das Gelesene so geschehen oder nur eine Erfindung der Hauptfigur. Und wenn das so ist, wer oder was ist dann die Hauptfigur und worum geht es eigentlich?

Lässt man diese Metaebenen weg, ergibt sich nämlich ein Plädoyer für Homosexualität, für alternative Lebensweisen und für Toleranz – und zeigt damit eine Welt, die für einige Charaktere tatsächlich auf dem Kopf zu stehen scheint. Verziert mit einer sehr feinen Metaphorik ist dieses Buch ein sehr ergiebiger Roman, der trotz seiner scheinbaren Einfachheit einiges zu sagen hat.

So etwas gefällt mir tendenziell immer ziemlich gut. Vielleicht ist es nicht für jeden geeignet, man sollte sich darauf einlassen können, dass ein Buch mehr als Unterhaltung sein kann, aber dann bekommt man mit Die Welt auf dem Kopf einen wunderschönen und anspruchsvollen Roman, dem ich gerne die Höchstpunktzahl von 10/10 Punkten vergebe.

Gastbeitrag

Der Beitrag wurde von unserem Gastblogger Florian Ostertag geschrieben und uns samt Foto exklusiv fürs Literaturasyl zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns recht herzlich und hoffen auch weiterhin viele Beiträge von ihm zu lesen.


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